25°C

  • Emscherhaus, 2021
  • Keramik
    168 x 349 x 10 cm
    159 x 349 x 10 cm

Eine ornamenthafte Struktur, die sich aus vielen aneinandergereihten kleinen Kelchen zusammensetzt, scheint sich im Treppenhaus der Hauptverwaltung der Emschergenossenschaft auszubreiten. Das Geflecht entfaltet sich an der Wand zwischen dem ersten und zweiten Geschoss und rahmt den Ausblick auf die Richard-Wagner-Straße. Durch das kräftige Rot wird die Arbeit, die aus Keramik besteht, zu einem Blickfang – unübersehbar beim Hochgehen in die zweite Etage Hauses.
Angefertigt wurde das Werk, das den Titel „25°C“ trägt, von der aus dem Ruhrgebiet stammenden und mittlerweile in Berlin lebenden Künstlerin Katrin Wegemann (*1982). Wegemann, die an der Kunstakademie Münster, an der Kunstakademie Düsseldorf sowie an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee Freie Kunst und Bildhauerei studiert hat, setzt sich in ihren meist ortsspezifischen Werken mit dem Thema der Zeit auseinander, das sich in Wegemanns Arbeiten in Form von Veränderungen des eingesetzten Materials artikuliert. Die Künstlerin interessiert sich für den zeitlichen Prozess, den die Skulpturen durchlaufen und kehrt diesen hervor. Dabei entstehen Werke, die beispielsweise zwischen verschiedenen Aggregatszuständen oszillieren. Auch die Wandarbeit im Emscher-Haus zeichnet sich durch ein performatives Moment aus: Die schillernde Oberfläche, die durch das einfallende Licht belebt wird, und die unregelmäßigen Strukturen lassen die Skulptur vibrieren und pulsieren – sie setzen das starre Gebilde in Bewegung und verleihen ihm lebendige Züge. Die Kelche heben und senken sich und wirken in ihrer Gesamtheit wie ein Organismus.
In der Hauptverwaltung der Emschergenossenschaft, dem größten Wasserverband Deutschlands, der sich mit den Folgen des Klimawandels und dem Gewässerschutz auseinandersetzt, entfaltet das rote Geflecht noch eine weitere Wirkung. Es schlägt von der Abstraktion in die Gegenständlichkeit um und erinnert an Korallen, deren Sterben zum Symbol für den Klimawandel und die Verschmutzung der Meere und Ozeane geworden ist. Die Untersuchungen des „Global Coral Reef Monitoring Network“ aus dem Jahr 2021 ergaben, dass zwischen 2009 und 2018 bereits 14 Prozent der Korallen der tropischen Riffe aufgrund von Hitze und Verschmutzung verschwunden sind und damit auch Lebensräume, die Fische und Krebstiere zum Überleben benötigen. Die steigende Wassertemperatur stellt insofern eine Bedrohung dieses Ökosystems dar, als dass die Algen, die mit den Korallen in einer Symbiose leben, ab 30°C aufhören, Kohlenhydrate zu produzieren, mit denen die Korallen versorgt werden. Die Einzeller werden daraufhin abgestoßen und die Korallen sterben aufgrund einer mangelnden Aufnahme von Nahrung ab. Wegemanns „25°C“, das die Temperatur, bei der die Korallenriffe am besten wachsen, im Namen trägt, führt die Fragilität der Gewässer, allein durch die Verwendung von Keramik – ein Material, das zerbrechlich ist –, wirkmächtig vor Augen.
(Agnes Sawer)

Foto(s): Kirsten Neumann

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